Dank Mamas Ideen Gastwirtin geworden

Text | Dorfgeschichten, Personen, Gaststätten | Samstag, 01 Januar 1949

Dank Mamas Ideen Gastwirtin geworden - Irene Fuchs erinnert sich

aufgeschrieben von Susanne Lock

„Ich bin 1949 geboren. Meine Mutter Anni Hundhausen bewirtschaftete hinter dem Haus, heute Imkerstraße 3, einen großen Gemüsegarten mit Hühnern und Kaninchen. Wir hielten bis zu 20 Kaninchen, die mein Vater schlachtete und auf Bestellung an seine Arbeitskollegen verkaufte. Mit Papas Lohn sind wir zurechtgekommen und Mama konnte aus Nichts etwas machen. Von klein auf musste ich meiner Mutter im Haushalt und bei der Kinderbetreuung sowie auf dem Feld und mit den Tieren helfen. Viel Zeit zum Spielen blieb nicht. Wie alle Werfener Kinder ging ich 8 Jahre in die Volksschule nach Schneppe. Wir Schulkinder fuhren morgens mit dem Fahrrad steil bergauf zur Schule in den Nachbarort und sausten auf dem Rückweg bergab nach Hause. Bei Wettrennen verfehlte ich manchmal die scharfe Kurve am Bienenhof und landete im Haferfeld.

Die Siedlung und Haus Kitha gab es damals noch nicht, auch noch nicht den Aussiedlungshof der Familie Prinz. In meiner Altersgruppe gab es nur Jungen und so war auch ich Mitglied der Werfener Fußballtruppe, die sich hinter unserem Haus auf der „Rickerschens Parke“ (heute neben Kreuzung Schnepperstraße – Imkerstraße) zum Bolzen traf. Das war nämlich die einzige Wiese, die gerade war.“

Für die Werfener Kinder war Urlaub mit der Familie ein Fremdwort. In den Schulferien verbrachte die jüngere und ältere Dorfjungend viel Zeit miteinander. Als gegen Ende der fünfziger Jahre die Straße von Werfen nach Schneppe geteert wurde, bekamen die Kinder Rollschuhe geschenkt, die zu gefährlichen Wettrennen eingesetzt wurden.


1960, die Werfener Kinder beim Eierfest
v.li. stehend: Walter Uhlig, Ulrich Kaschel, Erika Himmeröder, Gisela Prokop, Irene Hundhausen, Ingrid Uhlig, Heinz-Günter Uhlig, N.N. Straußfeld, Günter Güldenring, Reiner Schumacher, Werner Dumke. V.li. sitzend: Bernd Lenz, Heinz-Günter Ludwigs, N.N. Schmitz, Heinz-Wilhelm Thielgen, Christel Himmeröder, Brigitte Uhlig, Monika Hundhausen

„Als Kind habe ich gerne beim Maisingen mitgemacht. Mit bunten Bändern und Blumen wurde vor dem 1. Mai ein Handwagen geschmückt, den wir durchs Dorf zogen zum Maibaum, der am Jugendtreff „gegenüber Tante Hilda“ aufgestellt wurde. Und Pfingstsamstag war Eiersingen. Wir zogen singend von Haus zu Haus und sammelten Eier, die am nächsten Samstag beim Eierfest in verschiedener Zubereitung gegessen wurde. Das Eierfest war für die Werfener ein großes Fest mit Musik und Tanz, an dem fast alle Bewohner teilnahmen. Sonst gab es auch früher schon die Kirmes in Eitorf und danach die Leuscheider Kirmes mit einem Festzelt. Durch den Konfirmandenunterricht in Leuscheid lernte sich die Jugend aus dem Leuscheider Land kennen und auf der Kirmes hockten wir auch nach der Konfirmationszeit wieder zusammen. Häufig endete der Abend im Festzelt mit einer Schlägerei zwischen betrunkenen jungen Männern. Ab da war für uns Mädchen der schöne Abend vorbei. In unserem Dorf traf sich die Jugend abends „gegenüber Tante Hilda“, einem kleinen Platz auf der anderen Straßenseite von Güldenrings Haus.


Treffpunkt „gegenüber Tante Hilda“, vorne Günter Güldenring

Einer von Oeders Jungen brachte ein Transistorradioradio zum Treffen mit, sodass wir die aktuellen Musikhits gemeinsam hören und in eine andere Welt eintauchen konnten. Zur Truppe gehörten neben mir Heinz-Günter und Walter Uhlig, Werner Dumke, Eckard Link, Dieter und Helmut Oeder, Ulrich Kaschel und meine Freundin Gisela Prokop. Später gingen wir oft ins Kino nach Eitorf. Und als Uli Kaschel als erster von uns ein Auto hatte, fuhren wir mit ihm zu fünft oder zu sechst ins Kino.“

Nach der Volksschule besuchte Irene für ein Jahr die private Handelsschule Höver in Siegburg und ein weiteres Jahr die Berufsschule in Schladern, die als Behelfsschule eingerichtet worden war. Beide Schulen waren gut mit der Bahn zu erreichen.

„Mit 16 hatte ich meine erste Arbeitsstelle bei der Firma Boge in Eitorf bei der werkseigenen Betriebskrankenkasse. Wir arbeiteten dort in einem Büro mit sieben Leuten und nahmen Krankmeldungen entgegen, Arbeitsunfälle auf, schrieben Briefe und machten Buchführung. Eine Arbeitskollegin von mir kam aus Kircheib und ich fuhr öfter mit ihr zum Wochenende dorthin. Wir gingen so oft es ging in die Diskothek oder auf Zeltfeste, wo zum Beispiel auch Wolfgang Petry oder Peter Maffay auftraten. Da war mehr los als bei uns in Werfen oder Leuscheid.“
In Werfen wurden in den sechziger Jahren neue Siedlungshäuser von einem Investor namens Pfleger gebaut, wodurch Irenes Mutter Anni Hundhausen gastronomische Chancen erkannte. So ersteigerte sie 1966 die Gastwirtschaft Werfener Hof am Werferstein 57. Die Vorbesitzerin war überschuldet und so sah mein Vater das Ganze als Abenteuer an.


Ehemalige Gastwirtschaft Werfener Hof. Foto Susanne Lock

„Aber Mamas Geschäftssinn setzte sich durch. 1968 holte sie sogar mich zur Mitarbeit in die aufblühende Kneipe. Ich kündigte meine Stelle bei Boge und wir zwei wurden zu einem unschlagbaren Team: Mama konnte auch für große Gruppen gut kochen und versorgte die Bauarbeiter der neuen Siedlungen am Siegblick, am Bienenhof, am Brünnchen und zum Werferstein mit Mittagessen. Ich habe in der Küche geholfen und den Thekendienst sowie die Bedienung übernommen. Der Erfolg überzeugte meinen Vater und er zog auch in das Gasthaus um. Unsere Kneipe zog bald nicht nur die Werfener, sondern vor allem auch die Jugend aus dem Leuscheider Land an. So lernte ich Karl-August Fuchs, der 3 Jahre älter war als ich, näher kennen, allen bekannt als Charly.


1973, Irene und Charly Fuchs im Urlaub.

Wir wurden ein Paar und heirateten am 25. Februar 1972 und feierten in unserer Kneipe, nachdem eine Woche vorher bei Paulus in Leuscheid der Polterabend groß gefeiert worden war. Bald darauf kam unser Sohn Michael zur Welt. Charly war als Zusteller bei der Post mit dem Bezirk Herchener Höhe, die er seine zweite Heimat nannte, angestellt. Mittags war er schon zuhause und so konnten wir beide ab 1976 die Kneipe von meiner Mutter übernehmen, die gesundheitlich dazu nicht mehr in der Lage war. Meine Eltern wohnten ab dann wieder zusammen mit meiner jüngsten Schwester Heidi in ihrem alten Haus. Unsere Kneipe wurde durch Charlys Mitarbeit noch beliebter und sogar aus Rosbach und anderen Windecker Dörfern kamen die Leute zum Essen, Trinken und Politisieren. Zeitweise traf sich in unserer Wirtschaft die Windecker SPD-Prominenz. An Wochenenden und Feiertagen hatte ich öfters bis zu 100 Essen. Meine Schnitzel waren als Elefantenohren bekannt.“


1982, Gastwirt Charly

Der kleine Michael schlief bis zum Ende der Grundschuljahre bei den Großeltern. Jeden Morgen ging Irene zum Frühstücken hinüber zu Michael und ihren Eltern und am freien Tag kam Michael zu den Eltern in die Wohnung im Haus des Werfener Hofs. „Ich konnte mich auf meine Familie verlassen und so war unser Sohn immer liebevoll behütet“, erinnert Irene sich.

„Am 31.07.2003 machten wir mit der Kneipe Schluss, denn unsere Batterien waren leer geworden. Eine Abordnung der Leuscheider Blaskapelle überraschte uns mit einem schönen Ständchen. Die Kneipenära war vorbei. 2004 bauten wir die leerstehende Kneipe zur Wohnung für uns um und bauten in die obere Etage zwei Ferienwohnungen und ein Fremdenzimmer ein. Charly fuhr gerne Auto und wir fuhren viel in Urlaub nach Istrien und an die Nordsee in das Ferienhaus meiner Schwester Heidi. Im Dezember 2007 erkrankte Charly an Bauchspeicheldrüsenkrebs und verstarb am 10. Januar 2010. In den beiden letzten Jahren erlebten wir zusammen viel Schönes und machten noch einige Urlaube.“

Irene Fuchs vermietet auch heute noch ein Fremdenzimmer und die zwei Ferienwohnungen. „Der Umgang mit den Gästen ist eine schöne Abwechslung und macht mir viel Freude. So erfahre ich Neues und lerne andere Ansichten und Einstellungen kennen. Das bereichert mich ebenso wie die Fahrten, die wir regelmäßig mit der Dorfgemeinschaft Werfen machen.“

Sohn Michael Fuchs ist ein Urenkel von Gerhard und Wilhelmine Hundhausen und Enkel von Heinrich und Anni Hundhausen und wohnt mit seiner Frau und den beiden Töchtern nebenan. Irenes jüngere Schwester Monika Feld lebt in Leuscheid, ihre jüngste Schwester Heidi Welteroth wohnt auch heute noch in Werfen am Vogelsbusch. Ihr Sohn Nils hat dieselben Urgroß- und Großeltern aus Werfen wie sein Vetter Michael Fuchs und lebt mit seiner Familie in dem Haus, das sein Großvater Heinrich Hundhausen nach dem Krieg auf Ruinen neu gebaut hat.

Bild 1 und 2: Familienarchiv Engelhardt

Bild 4 und 5: Familienarchiv Fuchs

Zum Werferstein 39
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570