Seit Generationen in Werfen

Text | Dorfgeschichten, Personen | Montag, 01 Januar 1906

Seit Generationen in Werfen – Erika Engelhardt und Irene Fuchs erzählen

aufgeschrieben von Susanne Lock

Die Cousinen Erika Engelhardt und Irene Fuchs wohnen beide in Werfen. Wie ihre Eltern und Großeltern sind sie hier groß geworden.

Irene Fuchs und Erika Engelhardt

Ihr Großvater Gerhard Hundhausen und ihre Großmutter Wilhelmine, geborene Gerhards, wohnten mitten in Werfen in einem Fachwerkhaus, heute Schnepper Straße 30. Sie waren Kleinbauern mit zwei Kühen, Schweinen und Hühnern. Erika und Irene erzählen über ihre Werfener Familie.


rechte Haushälfte ehemaliges Wohnhaus der Familie Hundhausen. Foto:Susanne Lock

„Unsere Großeltern bekamen zwischen 1906 und 1917 vier Kinder: Albert, Martha, Hedwig und Heinrich. Die Landwirtschaft reichte nicht zum Lebensunterhalt der großen Familie, und Gerhard arbeitete in den wärmeren Monaten des Jahres als Maurer auf verschiedenen Baustellen in der Region. Im ersten Weltkrieg wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, zum Glück für unsere Oma und die vier Kinder kehrte er gesund aus dem Krieg zurück. Seit dem Krieg litt er aber immer wieder an Asthma.“

In der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 wurde der Siegkreis zum Notstandsgebiet erklärt. Viele Firmen meldeten Konkurs an und die Arbeitslosigkeit war rasant gestiegen. Der Landbevölkerung ging es in der Regel etwas besser als den Arbeiterfamilien in der Stadt. So konnten sich die meisten Familien aus Werfen mit ihrer kleinen Landwirtschaft gut ernähren. Kartoffeln, Gemüse, Mehl, Milch, Butter und Fleisch waren bei guter Vorratshaltung immer vorhanden.

Gerhard Hundhausen 1917

1917, Wilhelmine mit Hedwig, Albert, Martha

„Unser Dorf gehörte damals zur Gemeinde Herchen. Wie alle Kinder aus Werfen gingen auch Onkel Albert, unsere Tante Martha, Hedwig (Erikas Mutter) und Heinrich (Irenes Vater) Hundhausen zu Fuß bei Wind und Wetter nach Schneppe zur Volksschule. Nach 8 Schuljahren suchten sich die Jungen eine Arbeitsstelle. Albert Hundhausen wurde Fabrikarbeiter bei Steimel in Hennef, sein Bruder Heinrich ging nach der Schule zur Bahn in „die Rotte“ (Gleiskörperanlage und -instandhaltung). Die Mädchen halfen im Haushalt und in der Landwirtschaft.“
Mit dem Hochkommen der Nationalsozialisten und der späteren NS-Regierung änderte sich im kleinen Dorf Werfen nicht viel. In jedem Dorf wurde ein Ortsbauernführer eingesetzt, der den nächsthöheren NS-Funktionären (Kreisbauernführer und Ortsgruppenleiter) zu berichten und die Dorfbewohner mit agrarpolitischen Informationen des Reichsnährstands zu versorgen hatte. Die Familie Hundhausen war den Nazis gegenüber sehr skeptisch.

Irene: „Onkel Albert und mein Vater Heinrich Hundhausen waren „Rote“ und Albert war Mitglied der SPD. Mein Papa Heinrich wurde 1934 einmal als Siebzehnjähriger verhaftet und für eine Nacht zum Verhör in Polizeigewahrsam festgehalten, da er mit einer Aktion die örtlichen Kommunisten unterstützt hatte. Onkel Albert konnte ihn am nächsten Tag wegen seines jugendlichen Alters aus der Untersuchungshaft freibekommen. Mein Vater wurde nach der Reichsprogromnacht im November 1938 in Eitorf Zeuge einer brutalen Misshandlung eines jüdischen Geschäftsmanns durch die SA, einer der SA-Männer kam aus Werfen. Dieser Vorfall war für meinen Vater erschütternd und völlig unverständlich und hat ihn sein Leben lang immer wieder beschäftigt.“

Der zweite Weltkrieg griff in fast alle Werfener Familien ein. Das schmerzhafte Fehlen der Ehemänner und Väter in den Familien wurde oft noch durch eine anschließende Kriegsgefangenschaft der deutschen Soldaten verlängert. Die meisten Frauen und Mütter waren in der Kriegszeit auf sich selbst gestellt. Die Verwandten und Nachbarn im Dorf halfen sich gegenseitig, wie sie konnten. Familien mit größerer Landwirtschaft wurden Kriegsgefangene als Fremdarbeiter zugewiesen.


1942 in der Küche der Familie Hundhausen, v.l. Albert, seine Frau Katharina, Vater Gerhard, Fremdarbeiter aus dem Dorf, Hedwig, Freund Hans aus Berlin, Heinrich.

Im Kriegswinter 1944/1945 hatte die amerikanische Armee Werfen besetzt und deren Soldaten waren im Gasthof Weber „Alt Werfen“ einquartiert. „Mein Bruder Karl-Heinz war damals ein Kleinkind“, erzählt Irene, „und hatte mit einem Schreianfall Aufsehen bei den „Amis“ erregt. Eines Abends wurde Werfen von Gerressen aus von einer deutschen Resteinheit beschossen. Mama und ihre Schwägerin Käthchen suchten nachts mit ihren Kindern vor dem Angriff Schutz im Keller, als von außen laut gegen die Kellertür geklopft wurde. Ängstlich öffnete Mama die Tür und ein helles Augenpaar in einem kohlrabenschwarzen Gesicht schauten sie an. Gleichzeitig schob ihr der farbige Soldat ein Paket in die Arme und sagte: „For Baby“.

Albert

Albert Hundhausen, geboren 1906, war der Älteste der vier Geschwister. Er heiratete 1932 Katharina Simon aus Wilberhofen und baute auf einem Gartengrundstück der Eltern für seine Familie ein Haus (heute Imkerstraße 8). Albert und Katharina bekamen eine Tochter, Waltraud Hundhausen, die 1932 geboren wurde. Durch einen Unfall war Albert wehruntauglich und ging nicht als Soldat in den zweiten Weltkrieg. Tochter Waltraud heiratete mit 17 Jahren Rudolf Uhlig, der als Soldat in der Schlacht bei Hürtgenwald in der Eifel gekämpft hatte und sich auf dem Rückzug in seine Heimat Sachsen befand, als er in Werfen Station machte und sich in das Mädchen Waltraud Hundhausen verliebte. Albert und Katharina wurden Großeltern von fünf Enkelkindern, von denen heute der jüngste Sohn Udo Uhlig mit Frau und seinem Sohn Nico im Elternhaus in Werfen lebt. Albert Hundhausen war nach dem Krieg für einige Jahre für die SPD Ratsmitglied der Gemeinde Herchen und später auch der Gemeinde Windeck.

Martha

Als zweites Kind wurde Martha Hundhausen 1910 geboren. Sie heiratete mit 20 Jahren den Schreinermeister Wilhelm Engelbert aus Mittelirsen. Sie wurden Eltern von zwei Söhnen Waldemar und Manfred. Die Schreinerei in Mittelirsen bauten Wilhelm und Martha nach dem Krieg zu einer Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern um. In den 50er und 60er Jahre kamen viele Gäste aus dem Ruhrgebiet und verbrachten im Irsertal und Umgebung ihr Wochenende. Samstags fanden Tanzabende statt.

Hedwig

Hedwig Hundhausen, 1914 geboren, heiratete 1946 den Bauschlosser Emil Himmeröder aus Werfen. Er war ein Vetter von Heinrich Himmeröder, dem späteren Ehemann von Hanna Himmeröder. Schon in den Jahren 1939/1940 ließ Emil sich vom Bauunternehmer Weber aus Werfen ein neues Einfamilienhaus "Zum Beuel 16" bauen. Dort lebte Emil mit seinen Eltern und Geschwistern bis zu seiner Heirat. Emil wurde zum Kriegsdienst eingezogen und war überwiegend in den Niederlanden eingesetzt. In den Kriegsjahren erkrankte er an Skorbut, was zu Zahnfleischbluten und lockeren Zähnen führte.


1943 Hedwig


Emil Himmeröder 1943.

Bevor sie Emil kennenlernte, hatte Hedwig bereits einen Verlobten, der im Krieg im Lazarett seinen Verletzungen erlegen war. Hedwig half den Eltern in der Landwirtschaft und arbeitete auch einige Jahre in der “Kammgarn in Eitorf“. Nach der Hochzeit zog Emil zu Hedwig und ihren Eltern Gerhard und Wilhelmine in das alte Fachwerkhaus in der Schnepperstraße 30. 1947 wurde Tochter Erika geboren. Die Großeltern und die Eltern von Erika wohnten mit ihr im alten Bauernhaus mit Kuhstall neben der Küche und vor dem Haus war der Mistplatz und der Schweinestall. Wie es weiterging, siehe unter „“Meine Kindheit und Jugend in den 50er und 60er Jahren - Erika Engelhardt erzählt.

Heinrich

Heinrich Hundhausen, Jüngster der Geschwister und 1917 geboren, lernte in Werfen seine spätere Frau Anni kennen, die mit ihren Eltern und Geschwistern vor dem zweiten Weltkrieg nach Werfen gezogenn war, nachdem das Schwimmmeisterhaus auf der Sieg in Herchen durch ein starkes Hochwasser vernichtet worden war. Anni hatte in ihrer Kindheit in Bad Godesberg-Mehlem gelebt. Heinrich heiratete am 15.10.1941 die fünf Jahre jüngere Anni und der baute für sich und seine Frau in der vererbten Scheune im alten Hof, heute Imkerstraße 3, zunächst zwei Zimmer ein. 1942 kam Sohn Karl-Heinz zur Welt. Kurz darauf wurde Heinrich 1943 als Soldat in den Krieg geschickt.


1943 Heinrich

Bei seinem letzten Einsatz in der Ukraine wurde er schwer verletzt, sodass er in ein Militärlazarett auf der Krim transportiert wurde. Von dort verlegte ihn die Wehrmacht in den Spreewald, von wo er zu den Amerikanern überlaufen und sich ergeben wollte. Jedoch nahmen ihn polnische Soldaten im Mai 1945 fest und überstellten ihn als Kriegsgefangenen zum Arbeitseinsatz in Polen. Nach drei Jahren konnte Heinrich mit einem Freund aus dem Gefangenenlager fliehen. Erst 1948 kehrte er nach Werfen zu seiner Frau und dem sechsjährigen Sohn zurück. Die kleine Wohnung im alten Hof war kurz vor Kriegsende 1945 durch einen Bombensplitter zusammen mit den Wirtschaftsgebäuden abgebrannt, sodass Heinrich nach seiner Rückkehr auf den Trümmern ein Haus neu errichtete. Er kehrte wieder zu seiner alten Arbeitsstelle, der Deutschen Bahn, zurück. Am 10.11.1949 kam Irene als zweites Kind zur Welt. Es folgten die 1956 die Tochter Monika und 1959 Heidi als jüngstes Kind.


Anni und Heinrich Hundhausen. Foto: Archiv Familie Welteroth


ehemaliges Wohnhaus Im alten Hof, heute Imkerstraße 3. Foto: Susanne Lock

Wie Heinrichs und Annis Tochter Irene aufwuchs, ist unter „Durch Mamas Ideen Gastwirtin geworden – Irene Fuchs erinnert sich“ beschrieben. - KOMMT DEMNÄCHST

alle nicht anders gekennzeichneten Fotos: Familienarchiv Engelhardt

Schnepperstraße 30
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570