Meine Kindheit an der Sieg

Text | Dorfgeschichten, Personen | Freitag, 11 Juni 1954

Von Ulrike Pickruhn

Viel gesehen, viel erlebt – Ulrike Pickruhn

Am 11. Juni 1954 wurde ich in eine sehr traurige Familie in Schladern geboren. Traurig deshalb, weil mein Vater Ulrich Pickruhn ein halbes Jahr zuvor, nämlich am 08. Januar 1954 an seiner Arbeitsstelle bei der Bundesbahn in Köln tödlich verunglückt war. Sechs Tage vor seinem Tod hatte der am 02. Januar 1954 meine Mutter Anita Bender geheiratet.


Umso mehr freuten sich alle über meine Geburt. Alle, das waren meine Oma Frieda Pickruhn mit vier jüngeren Geschwistern meines Vaters, meine Großeltern Anna und Ernst Bender und selbst einen Urgroßvater Bender hatte ich noch.


Zum Andenken an meinen Vater wurde ich auf den Namen Ulrike getauft.


Meine Oma Frieda Pickruhn mit mir. Meine Oma habe ich über alles geliebt, leider ist sie 1965 durch einen Autounfall in Rosbach ums Leben gekommen.


Uropa Bender

Die ersten drei Jahre lebten meine Mutter und ich in dem Haus, in dem Oma Ännchen und Opa Ernst wohnten. Es war eines der Werkshäuser der ehemaligen Firma Elmores in der ehemaligen Siegstraße, heute Elmoresstraße.

So wurde ich von meinen Großeltern und meinen Tanten und meinem Onkel verwöhnt und geliebt. Und ich habe es genossen für einige Jahre das Privileg zu besitzen, das einzige Enkelchen und die einzige Nichte zu sein.

Meine Mutter arbeitete als Haus- und Kindermädchen bei der Familie Hermann Weeber, ehemaliger Direktor der Firma Elmores. Dort gab es eine Tochter Carola, sie war schon drei Jahre als ich geboren wurde, und ich wuchs neben ihr wie eine kleine Schwester auf.


li. Frau Weeber, auf Bank sitzend ich, Herr Direktor Weeber, auf Roller sitzend Carola

Ich erinnere mich so gerne an die Zeiten, wenn ich ihre zu klein gewordenen Kleidchen geschenkt bekam. Sie war ja die Tochter einer etwas wohlhabenderen Familie, und es war jedes Mal für mich wie Weihnachten. Auch viele Spiele und selbst Karnevalskostüme bekam ich von ihr. Und Karneval war damals schon und ist es immer noch, meine Leidenschaft.


Karneval im Bergischen Hof: li. Carola Weeber, dahinter ihre Mutter, ich als Hase mit meiner Mutter, Ingeborg Loske, NN)

Carola besaß bei uns als erstes Kind einen Plattenspieler. Man konnte von vorne eine Platte hineinstecken und meine Lieblingsplatte wurde die Geschichte: Geburtstagsschmaus bei Mickey Mouse. Da saßen wir in Weebers Wintergarten und lauschten den schönen Dingen, die aus dem Gerät kamen.

Oft haben wir im „Spitzgarten“ von Elmores gespielt. Ich erkläre kurz, wo er sich befindet:
es wird heute noch Wasser durch die Turbinen in der Fabrik geleitet, um Strom herzustellen.


Turbine

Die Stelle, wo das Wasser aus der Sieg umgeleitet wird, sieht man heute noch kurz vor dem Wasserfall. Danach wird das Wasser wieder unterhalb der Fabrik in die Sieg zurückgeleitet. Die Stelle kann man sehr gut in der Höhe von Schöneck sehen. So entstand dort unterhalb der Fabrik ein Dreieck, auf dem ein wunderschöner Garten von Werksgärtner Willi Schmidt angelegt und gepflegt wurde. In diesem Spitzgarten haben wir als Kinder oft gespielt und Abenteuer erlebt. Selbst Carolas Geburtstage wurden dort gefeiert. Die Freundschaft mit ihr hält bis heute an.

Gärtner Schmidt war aus der Gemeinschaft der Nachbarn der unteren Sieg nicht wegzudenken. Alle Nachbarn hielten zusammen, halfen sich gegenseitig und feierten zusammen.


Die Nachbarschaft: vorne links Karl-Heinz und Elfriede Röhrig, Erich Weber hinter Sieglinde Dressler, Frau Hey
2. Reihe: Herbert Römer, Änne Schmidt (Ehefrau von Gärtner Schmidt), meine Oma Ännchen Bender
3. Reihe: Leni Weber, mein Opa Ernst Bender, Erwin Dressler, Gärtner Willy Schmidt, Frau Laszczyk

Herr Schmidt war derjenige, der uns alle immer wieder in Erstaunen versetzte. Wenn wir alle unter dem riesigen Kastanienbaum vor Oma und Opa´s Haus auf der Bank saßen erzählte er die tollsten Geschichten. Er lief für uns Siegkinder zur Belustigung durch die ganze Siegstraße auf Händen. Und bei Frau Frevel holten wir uns mit Vergnügen „Asperinchen“. Das waren mit Schokolade gefüllte Pfefferminzbonbons, die sie in ihrer Kittelschürze aufbewahrte. Oder wir stromerten durch die von den Anwohnern angelegten und bewirtschafteten Obst- und Gemüsegärten, die sich unterhalb der beiden alten Villen befanden und stiebitzten dort bei dem einen oder anderen Erdbeeren, Himbeeren oder Stachelbeeren und Johannisbeeren.


Heute haben Brombeerranken die ehemaligen Gemüsegärten an der Sieg erobert. Siehe auch Nicht ohne einen Garten.

Anschließend teilten wir uns unter unserer riesigen Trauerweide oder in unserem Hexenwald unsere Beute und freuten uns, dass wir nicht erwischt worden waren. Wir Siegkinder sind übrigens: Carola Weeber, Dagmar Schmidt, Margot Gerhard, Rainer Hey, Erika Weber, Helga Weber, Harald Römer und ich.

Eine nette Erinnerung habe ich an ein spezielles „Haustier“ unserer Nachbarn Familie Hey. Bei ihnen hatte sich ein Rabe eingenistet, der zur Freude von uns Kindern sehr schlau und zahm war und sich von uns Wörter beibringen ließ. Jakob war sein Name.


Ulrike mit dem Raben Jakob

Als ich drei Jahre alt war, heiratete meine Mutter ein zweites Mal, und wir zogen für die nächsten ca. zwölf Jahre in die heutige Bodenbergstraße. Aber die Verbindung zur heutigen Elmoresstraße blieb immer sehr eng. Offensichtlich auch für meine Mutter und ihren Mann, denn nachdem ich einen kleinen Bruder, Christoph Geilhausen, bekommen hatte, kauften sie eines der ehemaligen Werkshäuser. Dort blieb ich bis ich 18 Jahre alt war.

von links vorne meine Mutter Anita, Lori Pickruhn (später Ronneburg), meine Oma Pickruhn, ich, Schwester meiner Oma,
von li. oben: mein Stiefvater Horst Geilhausen, Helga Pickruhn (später Ludwigs), Betti Pickruhn (später Murawsky), Helmut Pickruhn

In einigen Schulferien habe ich gerne bei der Firma Elmores gearbeitet und habe für damalige Zeiten viel Geld für, nun eigene Kleider, Disko und andere Dinge verdient. 1972 ging ich dann aber nach Düsseldorf, um eine Ausbildung als Physiotherapeutin zu machen. Nach vielen Schicksalsschlägen, wie der Tod meiner beiden Ehemänner und vielen Umwegen über Schweden, Spanien und der Pfalz, wo ich unterschiedlich lange gelebt habe, hat es mich zwischendurch immer zurück nach Schladern gezogen. Heute lebe ich mit meinem Lebensgefährten in Düsseldorf und genieße die Vorzüge des Stadtlebens und denke in schönen Erinnerungen an meine Kindheit und mein Leben in Schladern zurück.


Ulrike und Helmut, der Herr Becker, wohnen in der verbotenen Stadt mit D.

Aus dem Familienalbum von Ulrike Pickruhn


Dieses Bild muss während des zweiten Weltkriegs entstanden sein. Es ist die ehemalige Siegbrücke in Schladern, die zur Firma Elmore‘s führte. Sie wurde im Krieg zerstört und meine Großmutter musste mit meiner Mutter bei Bombenalarm und Angriffen mit dem Kahn auf die andere Seite der Sieg rudern, um dort den Bunker, den man heute noch im Felsen sehen kann, aufzusuchen. Auf der Brücke stehen von links meine Oma Anna Bender, Frau Weber (Mutter von Erich und Paul Weber), NN und Hulda Mindel mit fremden Soldaten.


In den 1930er Jahren
v. li: Anna Bender, Frau Scheunert?, NN
hinten links: Maria Schippmann, geb. Volkmar (Mutter von Helmut Schippmann), Anneliese Reif ?, „Milchmina“- Mina Neumann, vorher Fendel, geb. Volkmar (Schwester von Maria Schippmann)


vorne li: Anita Geilhausen, Frau Weber, NN,
hinten links: Hulda Mindel, NN, NN, Anna Bender, NN, NN,


Meine Mutter mit ihren Eltern Anna und Ernst Bender auf der alten Siegbrücke ca. 1936


Betti Pickruhn, Schwester meines Vaters auf ihrer Konfirmation ca. 1948


Meine Oma Pickruhn, Lori Pickruhn und Ulrich Pickruhn
Mein Vater war der Älteste und Lori die Jüngste von fünf Geschwistern


Bevor mein Vater starb waren der und Günter Wick die besten Freunde. Daher waren seine Frau Käthe und er auch meine Pateneltern.


v. li. o. nach unten
Heinz Hundhausen (Dr. Mensenbach), NN. Walter Demmer, Ulrich Pickruhn, Anita Bender, NN


Um 1950: Das ist die Familie meiner Oma Anna Bender, geb. Söhnchen, in Dermbach im Siegerland. Das Familienoberhaupt, meine Uroma steht mitten in der Familie hinter der kleinen Kusine meiner Mutter mit Blumenkranz im Haar. Meine Oma und mein Opa Ernst Bender stehen vorne rechts, zweite und dritte Person. Meine Mutter, Anita Bender steht in der letzten Reihe, dritte von links. Alle anderen sind Schwestern meiner Oma und Ehefrauen von zwei gefallenen Brüdern mit ihren Familien.

Als ich Kind war, fuhr meine Oma mit mir häufig dorthin, um ihre Schwester Thekla, die das Elternhaus inzwischen mit ihrer Familie übernommen hatte zu besuchen. Tante Thekla und Onkel Toni stehen links und rechts neben der Uroma. Für mich war das ein kleines Abenteuer. Wir fuhren mit dem Zug und mussten noch ein ganzes Stück zu Fuß laufen. Sie hatten sechs Kinder, die sich gerne um mich gekümmert haben, und ich als Einzelkind habe das sehr genossen. Das Haus war klein, aber trotz großer Familie fand sich immer noch ein Plätzchen für uns zum Schlafen. Abends saßen wir alle gemeinsam um den Tisch, und Onkel Toni spielte uns Lieder auf seiner Zither vor. Es gab allerdings einen Wehrmutstropfen, es gab hinter dem Haus ein Plumpsklo, mehr will ich gar nicht erzählen.


u.li: Ulrich Pickruhn


1953
Ehemalige gemischte Sportriege auf dem Weg zu einer Ehrung auf dem Sportplatz.
Vorne links Günter Wick, vorne rechts mein Vater Ulrich Pickruhn, links außen Willi Pracht, der Patenonkel meiner Mutter, er war einer der ehemaligen Sporttrainer.


Von links: Horst Hoffmann, Willi Pracht, Herr Hoffmann, der auch lange Sporttrainer war, Ulrich Pickruhn auf einem Wanderausflug.


Hildegard Lenz (später Knote), Anita Bender, Ulrich Pickruhn


Mein Opa Ernst Bender mit seiner Kamera, die er so gut wie immer um seinen Hals trug


Schladerner Väter in den 1950ern
v. links: Herr Zeimet, Kurt Müller, Edmund Hundenborn, Wilhelm Klüser, Konrad Walter, Willi Koblenz, nn., Franz-Josef Hundhausen. Foto: Urheber unbekannt


Stranghöhners Eiche mit mir davor


Ernst Seidel senior bei einer „Fotosession“ mit mir in Seidels Fotoatelier


Ernst Seidel junior mit mir


Hier hat mein Opa Gilberte Walter und mich wie kleine Puppen erwischt. Wir waren etwa gleich alt. Elisabeth Walter und meine Mutter haben kurzzeitig zusammen bei Familie Bestgen gearbeitet. Wenn ich mich richtig erinnere, machten sie frische Verbände bei Verletzungen und gaben Spritzen und Ähnliches.


Ca. 1959: Ich auf der Bodenbergstraße (ehemalige Bergstraße) mit einem, von meiner Mutter selbstgestrickten Kleidchen


Ich auf dem ehemaligen Bauernhof Mikus, hinter der Schönecker Villa. Der Bauernhof wurde Ende der 1960er Jahre abgerissen


Meine Mutter mit mir im Kölner Zoo


Hier haben mein Stiefvater Horst und ich Opa August Geilhausen am Kölner Hauptbahnhof abgeholt, er kam aus einer Kur.


Ich als Ungar verkleidet, auf der ehemaligen Bergstraße, heute Bodenbergstraße


Ingeborg Loske (Baum), ich, Carola Weeber.
Ich denke, das war der Anfang meiner Funkemariechen-Aera


Ich verkleidet als Jäger und Harald Römer als Mädchen auf der ehemaligen Siegstraße, heute Elmoresstraße


Christiane Jasser als Katze und ich Indianer


Ich als Cowboy, Jörg Müller (Sohn von Marianne Spangenberg), Margit Raasch. Wir waren hin und wieder Babysitter vom kleinem Jörg


Das ist im Garten von Familie Gerhard, später unser Haus.
v. links: Leni Weber, Ernst Bender, Sieglinde Dressler, Erich Weber. Im Hintergrund sieht man Gauchels Haus in der Bahnstraße.


v. li.: Frau Dressler Willy Schmidt, Anna Bender, Leni Weber, Ernst Bender, Hr. Dressler, Erich Weber


1. R. v. u.: Susanne Döhne, Erika Weber, Ulrike Pickruhn, Resiori (Lindenpütz), nn, nn, nn, Stefan Becker, Alessandro Caminneci, nn
2. R.: Ines Caminneci, nn, nn, Fröhling, nn, nn, Klaus Klüser, Wolf-Rüdiger Hoffmann, nn, Rolf Steckelbach
3. R.: nn, nn, nn, Christel Giebeler, nn, Pastor Hermann Schläfer, nn, Wolfgang Pracht, nn, nn, nn


Das war unser erster spektakulärer Showtanz Can-Can im Bergischen Hof, einstudiert zu Karneval von Emmi Dorff.
v. li.: Annemie Bach, Karin Müller, Edith Josko, ich, Regina Josko.


Alle Bilder: Archiv Ulrike Pickruhn

Elmoresstraße 19
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570

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