Aus dem Leben eines Taugenichts

Text | Dorfgeschichten | Freitag, 01 Januar 1965

Von Michael Becker

 

Tatort: Gaststätte Franz Otto Ewert, Schladern, ca. 1965.

Franz Otto Ewert Senior hatte seinen Sohn Peter, besser bekannt als Qualmpitter, da er mit Vorliebe französische Hustenzigaretten konsumierte, beauftragt, den Nachmittagsschoppen zu bedienen. Es traten dazu an: Dr. Setzholz (Walter Demmer), Hermann Schmidt, genannt der Stehs, und mehrere Kameraden des Tischtennisvereins, sechs bis acht Personen, der Chronist selbst war nur aufmerksamer Beobachter und hat sich dem Alkoholkonsum gewidmet.

Zu dieser Zeit bestand die Zapfanlage aus einer aufgesetzten und drehbaren Säule mit zwei Zapfhähnen, oben versehen mit dem Querbecken, in das Trockeneis zum Kühlen des Bieres zerkleinert hineingelegt wurde. Das Bier floss eifrig, Peter hatte genug zu tun und hat aus Solidarität ebenfalls dem Bierverzehr zugesprochen. Allmählich wurde er müde und setzte sich auf die schmale Ablage des Schrankes, die Füße gegen die Theke gestemmt. Dr. Setzholz bestellte eine Runde Bier, worauf der Qualmpitter antwortete: „Zapp doch selbst!“ Hinter der Theke war an der Zapfsäule aber nur Platz für eine Person. Qualmpitter machte auch keine Anstalten, selbst zu zapfen oder den Platz freizugeben. Dieses alkoholschwangere Problem löste Dr. Setzholz elegant, indem er über die Zapfsäule griff, die Zapfhähne festhielt und die Säule insgesamt um 180 Grad drehte, worauf das Bier von der anderen Seite der Säule gezapft werden konnte. Das ging auch ganz gut, bis auf einmal die Frage aufkam, der Zapfhahn müsste ja auch mal wieder in die ursprüngliche Position. Eine mittlerweile stark alkoholisierte Ausganglage dieser Diskussion kam zu keinem Ergebnis. Fest stand nur, dass eine falsche Drehung, also die Bierleitung um insgesamt 360 Grad zu drehen, es handelte sich noch um Bleirohre, zu einer Überschwemmung führen würde. Das Ratespiel fand dann ein plötzliches Ende in der Form, dass der Wirt Franz Otto Ewert mit seiner geliebten Stummelpfeife im Mund, um die Ecke kam, das Dilemma sah, also die Zapfhähne an der verkehrten Stelle, den Sohnemann hinter der Theke sitzend und davor mehrere ambitionierte, aber volltrunkene Sportler erblickte, sich verständlicherweise aufregte. Ihm fiel wortwörtlich die Stummelpfeife aus dem Mund. Er kam als erstes zu dem Schluss, den verlängerten Frühschoppen mit sofortiger Wirkung zu beenden. Leider sah er den Stehs als den Hauptübeltäter an und verwies ihn der Lokalität, worauf dieser antwortete: „Wer für mich ist, geht mit mir“, was auch befolgt wurde. Der mittlerweile zeitlich als verfrühter Dämmerschoppen anzusehende Umtrunk wurde im Bergischen Hof fortgesetzt. Ob dabei die Frage der richtigen Zapfumdrehung ausdiskutiert wurde, entzieht sich der Kenntnis des Chronisten.

Es ist aber später nie ruchbar geworden, wie das Zapfproblem in zufriedenstellender Weise geklärt werden konnte. Der Chronist selbst hat an diesem verlängerten Frühschoppen nicht teilgenommen. Mit seinen 18 Jahren war er nur geduldet, aber nicht zugelassen für das Ausdiskutieren von Umtrunkproblemen.

Fazit: Dr. Setzholz wusste für jedes Problem eine elegante Lösung.

Amselweg 2
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570

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