Ein Besuch bei alten Kultstätten

Zeitungsartikel | Verschwundene Orte | Montag, 01 September 2003

Frühgeschichtlichen Geheimnissen auf der Spur

Ein Besuch bei alten Kultstätten

von Sylvia Schmidt

Die Spurensuche nach der Vergangenheit unserer Urahnen führt Werner Schmidt aus Dreisel nicht in entlegene Regionen. Seit über 35 Jahren sucht er in der Umgebung von Windeck und Eitorf nach „Mosaiksteinen“ aus der Frühgeschichte, die den Rätseln der Vergangenheit ein Gesicht verleihen können. Zehntausende von Oberflächen-Fundstücken lüften ein wenig den geheimnisvollen Schleier: Keramik- und Glasscherben bis in die Altsteinzeit, von Menschenhand bearbeitete Steine, Werkzeuge, Keile, Pfeilspitzen, alte Münzen, Schmuck, Perlen u.v.m. Sie geben Auskunft oder Ahnung, wo und wie unsere Vorfahren vor Ort gelebt haben und wer sie waren.

In den vergangenen Jahren hat Werner Schmidt mehr als 100 Museumskisten mit Relikten von Feldbegehungen zusammengetragen und zur Bearbeitung und Datierung an das Landesamt für Denkmalpflege in Koblenz und zum Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege, Außenstelle Overath, weitergeleitet. Ein großer Teil der Funde ist bereits gesichtet worden und kann zeitlich zugeordnet werden.

Mit Werner Schmidt unterwegs zu sein, gleicht einer Abenteuerreise. Seine unerschöpflichen Geschichten beinhalten neben einer großen Kenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge der alten Kulturen, einen reichen Erfahrungsschatz lebenslanger Naturbeobachtungen und die notwendige Fantasie, um dort, „unter Vorbehalt“, Schlüsse zu ziehen, wo Fragen sich im Dunkeln bewegen.

Verborgen und vergessen schlummern beispielsweise die wenig bekannten heiligen Plätze, Kultstätten vergangener Völker, in nächster Nähe. Und weil ein Laienauge diese Spuren nur schwer erkennt, erklärte sich Werner Schmidt zu einer kleinen Exkursion an alte „heilige Orte“ bereit. Ebenso wie die Landesdenkmalämter, halten wir unsere Auskünfte über diese Kultstätten bedeckt, um Zweckentfremdung oder Zerstörung keinen Vorschub zu leisten. Alle besichtigten Orte befinden sich im Grenzgebiet Windeck/Eitorf. Innerhalb der beiden Gemeinden kennt Werner Schmidt schätzungsweise 150 solcher Plätze.

Wir betreten ein Plateau im Fichtenwald, auffällig sind die sanften Hügel auf denen Bäume wachsen. Keine normalen Erhebungen, das sieht selbst ein Laienauge; es sind Hügelgräber. Einige hundert Meter entfernt besichtigte das Amt für Bodendenkmalpflege vor einiger Zeit eine stolze Ansammlung dieser Gräber und bestätigte Werner Schmidts Vermutung. Aus welcher Zeit die Gräber stammen, lässt sich ohne Grabung nicht klären, sicher aber aus vorchristlicher oder germanischer Zeit. Denkt man sich die Bäume weg, wird klar: Wir befinden uns auf dem höchsten Punkt des Berges mit weit entferntem Blick in alle Himmelsrichtungen. Wenige Schritte entfernt erstreckt sich eine lange Reihe tonnenschwerer Quarzitblöcke (viele Gräber kennzeichnete man mit Steinen). Neben einem bemoosten Block liegt ein säulenförmiger Stein, laut W. Schmidt, eine symbolische Form. Die Steinsetzung trägt eindeutige Spuren neuzeitlicher Zerstörung. Ein Wall und Erdbuckel verlaufen parallel zur Steinreihe, dazwischen stehen einzelne Großblöcke, auch eine Quelle ist in der Nähe. Ein weiterer Hinweis auf die Besonderheit des Ortes ist der Einfallswinkel der Sonne, den Schmidt, bei seinen Revierfahrten für den Pächter, zu verschiedenen Zeiten beobachtete. Die Steine scheinen nach genauer Berechnung des Sonnenstandes gesetzt worden zu sein.

Die religiösen Riten unserer Ahnen, vielleicht waren es Kelten oder Germanen, spielten sich in der Natur, unter freiem Himmel, ab (die Kelten waren nachweislich ansässig, bis sie etwa 100 v. Chr. von den Germanen vertrieben wurden). Kultstätten finden sich vor allem in Wäldern, auf Bergen, an Quellen und Flüssen, Wiesen oder Hainen. Tacitus berichtet in seinem Werk „Germania“ über die Germanen: „Nach der Anschauung der Germanen verträgt es sich nicht mit der Erhabenheit der Himmlischen, sie in Tempel einzuschließen.“

Einige Autominuten entfernt, besuchen wir einen weiteren Kultplatz anderer Art. Das ungeschulte Auge braucht einen Moment, um auf einem abgeflachten Hügel einen Kreis mit einem Durchmesser von ca. 25 Metern auszumachen. Zur Zeit der römischen Besatzung hatten die Germanen von hier aus einen Blick ins römische Imperium bis in die Eifel. Eine Buche von enormem Umfang ist Indiz, dass dieser Platz seit einigen hundert Jahren nicht verändert wurde. Die Form des Platzes, die nahe Quelle, wiederum der Blick mit Fernsicht bis in die Eifel (für einige Jahrhunderte der Blick ins „römische Imperium“) und die nahen Verteidigungswälle, verraten den Kultplatz.

Wenig wissen wir über unsere Vorfahren, Rätsel bleiben. Doch alte Spuren finden sich noch in den Namen von Straßen oder Flurbezeichungen wieder: Am Baumolus, Almerich’s Berg, Stein am Hain, Augebich etc. Darüber ein andermal mehr.

Erschienen im Stadt Magazin Eitorf im September 2003

 

2

 

Mehr in dieser Kategorie: « Blaue Steine in der Sieg Elchfund »
21 Steinbachstraße
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570

[{"id":"5","value":"6"},{"id":"2","value":["14"]},{"id":"4","value":"2003-09-01"}]