Von Däller Gepflogenheiten im Wandel der Zeit
von Beatrix Patt
Als waschechtes Altwindecker, sprich Däller Kind, aufgewachsen in den 1960er Jahren, möchte ich es nicht versäumen, einen Beitrag zur Geschichte des Ortes zu leisten. Dieser rankt sich um das bedeutendste Fest der Altwindecker, das Fronleichnamsfest.
2023: Die Prozession läuft in Altwindeck ein. Foto: Sylvia Schmidt
In den Wochen davor wurden Papierrosen von den Jugendlichen produziert, Kränze gebunden, Fahnen aufgebügelt, unsere Marienkapelle wurde grundgereinigt, angestrichen und und und…, kurzum: Jeder Haushalt leistete einen Beitrag, vielfach bis heute, damit das Fest in Würde und mit dem gebührenden Respekt begangen werden konnte.
Für mich und meine Freundin gab es jetzt einen Arbeitsauftrag von der ortsansässigen Wirtin: „Geht und fragt nach, wer zum Kaffeekränzchen kommen möchte.“
Dies taten wir gerne, verdienten uns so ein wenig Kirmesgeld und hatten überhaupt Spaß daran, zuerst bei den Damen zu klingeln, die, wie wir wussten, gerade ein Mittagsschläfchen hielten und eigentlich nicht gestört werden wollten. Dass die Wege weit waren, unzumutbar für Kinder heutiger Tage, es störte uns nicht im Geringsten und so machten wir uns also eine Liste zurecht und alberten durch das Dorf. Wir gingen von Haus zu Haus, gerne auch nach Jucht und Höhnrath, um die Damen zu fragen, ob sie am Fronleichnamsfreitag Lust auf Kaffee und Kuchen sowie anregende Schwätzchen im Saal der Gastwirtschaft des Ortes hätten.
„Wir wollen fragen, ob Sie mit zum Kaffeekränzchen gehen.“ Es meldete sich immer, übrigens auch zu Karneval, eine stattliche Anzahl von Däller Hausfrauen, die Gefallen daran fanden, für ein paar Stunden Zerstreuung und Gesellschaft zu finden sowie Neuigkeiten auszutauschen, ein soziales Event des Ortes in Zeiten eines eher knappen Amüsements, verglichen mit unserer heutigen schnelllebigen Welt.
Hochzufrieden trugen wir jene gut gefüllte Liste zu unserer Auftraggeberin und harrten der Dinge, die da in der anbrechenden Festwoche kommen sollten in Form von Schießbude, Los- und Spielwarenstand sowie eines Kettenkarussells mit Stühlchen in gelb, blau und rot, ich werde es nie vergessen, das war schon was! Die Aufbauarbeiten wurden von uns Kindern begeistert und voller Vorfreude auf die Fronleichnamskirmes verfolgt. Der Festtag rückte heran, Fahnen wehten im Wind und begrüßten die Prozessionsteilnehmer, die genau wie heute einhielten, um unsere Patronin des Ortes in der reich geschmückten Kapelle zu ehren.
Doch dann gab es für uns Kinder kein Halten mehr und wir verbrachten den ganzen Tag auf der Kirmes, immer darauf bedacht, dass unser Kirmesgeld auch bis zum Ende des Festes am Freitag reichte. Dieses klang dann mit dem Kaffeekränzchen für die Damen aus.
In den 1970er Jahren war die Kirmes noch vor der „Linde“.
Die Enge war Teil des Erfolgskonzeptes der Kirmes. Fotos: Marie-Luise Nacken
Die Besucherinnen des Kränzchens ließen sich durch die permanente Anwesenheit ihrer Kinder nicht stören, wussten wir doch, dass das Betreten des Festsaales nur in dringenden Notfällen von unseren Müttern geduldet wurde. Das war so weit auch in Ordnung. Wir waren aber trotzdem immer auf der Hut in Erwartung eines Highlights am späten Kirmesfreitagnachmittag. Wir lungerten so lange vor der Eingangstür der Gastwirtschaft herum, bis wir den Chef der Schaustellertruppe höchstselbst, ich erinnere mich, in einem würdigen und eleganten dunklen Anzug, die Wirtschaft und somit auch den voll besetzten Festsaal betreten sahen. Das aufgeregte (man möge es mir verzeihen) Geschnatter der Damen erstarb und man richtete den Blick auf den distinguierten Herrn im Eingangsbereich des Saales, der alle anwesenden Kränzchenbesucherinnen dazu einlud, eine Fahrt mit dem wunderbaren Kettenkarussell zu unternehmen, gratis, versteht sich! Nun wurde sich geziert, gefreut und abgewogen, ob denn eine solche Fahrt auch schicklich sei, aber am Ende standen nahezu alle Damen auf und strebten aufgeregt kichernd dem Festplatz und somit dem bunten Kettenkarussell entgegen. Man nahm vorsichtig Platz, hakte umsichtig die rasselnde Sicherheitskette ein und harrte den Dingen, die da kommen sollten.
Geneigte Leser, es war für uns Kinder ein Riesenspaß, unsere Mütter einmal nicht in der Rolle der ernsten und gesetzten Erzieherin in den 1960er Jahren zu erleben, sondern locker und ein wenig albern, im positiven Sinne.
Wir Kinder lungerten nun am Pingpongstand herum, von dort hatte man den besten Überblick, betrachteten das Schauspiel, taten unbeteiligt und hielten uns doch die Bäuche vor Lachen. Dann ging es los und mit „huch“, „nä, wat is dat huh“, sowie heiterem Gelächter drehten die Damen des Ortes ihre Runden am Altwindecker Himmel.
Das musste man gesehen haben! Nur manchmal, ganz selten, verschlug es ihnen die Sprache. Dann nämlich, wenn der Schausteller den Karussellbetrieb auf „rückwärts“ stellte!!