Geschichte der Familie Kraemer in Schladern

Text | Dorfgeschichten, Personen, Verschwundene Orte | Freitag, 01 Januar 1875

von Ulrich Kraemer

Der Familienname „Kraemer“ ruft bei Schladerner Bürgern sehr unterschiedliche Erinnerungen wach:


Karl Kraemer (1875 -1972) aus der Siegstrasse


Ernst Kraemer (1907 -1997) aus der Hauptstrasse


Ulrich (* 1946) und Walter Kraemer (*1948)

Die Lebensgeschichte der Familie Kraemer in Schladern beginnt im Jahre 1892. Ein gewisser Peter Kraemer aus Niederhövels bei Wissen ließ an der Sieg gegenüber dem neuen Wohnhaus Höffer ein Wohn-und Geschäftshaus für zwei seiner sieben Kinder errichten, für Robert, der jedoch früh verstarb, und Karl.


Haus in der Siegstraße um 1910

Zusammen mit seiner Mutter Caroline und Schwester Emma führte Karl einen Kolonialwarenladen im Erdgeschoss. Da das Geschäft florierte, entschloss man sich, auf der Hausrückseite einen  Anbau zu errichten. Im großen Lager war nun genügend Ausstellungsraum für Schlafzimmermöbel, Kücheneinrichtungen und Gebrauchsmöbel. Der Anbau wurde ergänzt durch ein weiteres Stockwerk, das als Wohnraum diente.


Anbau an der Hausrückseite in den 1920er Jahren

Karl war inzwischen 30 und noch Junggeselle.
„Den 10.9.1905 kam ein junges, angenehmes und sauberes Mädchen, Minna Ludwigs, in den Haushalt meiner Schwester.  Wenngleich mein Vater verschiedene reiche „Partien“ für mich vorgesehen hatte – denn es musste ja eine Lösung für Geschäft und Haushalt eintreten,- so kam eine Verbindung doch nicht zustande; ich war wenig heiratslustig.  Minna Ludwigs, 18 Jahre und ich 30 Jahre, verstanden uns gut, hatten uns gegenseitig eingelebt und wie es so kam: sie wurde 2 Jahre nach ihrem Einzug in Schladern, genau auf den Tag am 10.9.1907 mein Lebenskamerad.“    (Zitat Tagebuch Karl Kraemer)


Der einjährige Ernst (1908)

Im gleichen Jahr wurde Ernst geboren, es folgten Hilde (1910 verh,Schuhen) und Else (1918. verh, Müller)
Die Geschäfte liefen gut und Karl betätigte sich sogar als Kreditgeber. Dazu eine Anekdote von Dieter Steinhauf aus Altwindeck: „Im Jahre 1909 plante meine Großmutter Helene Thiel einen Umbau der Wirtschaft. Beim Betreten des Kolonialwarenladens von Karl Kraemer empfing dieser sie mit den Worten: Da kommt ja die reiche Wirtsfrau. Helene konterte: Da sagst du was, ich bekomme von der Bank keinen Kredit für meinen Umbau. Karl war hellwach: Da helf´ ich dir. Mehrere tausend Mark wechselten den Besitzer. Jeden Monat erschien Karl nun in Altwindeck, um die Raten abzuholen und versäumte dabei nicht, den einen oder anderen leckeren Schnaps zu kosten.
(Das Heft mit den Eintragungen zur Ratenrückzahlung existiert noch heute und zeugt von der guten Zahlungsmoral der Kreditnehmerin.)


Die Geschwister Kraemer v. li Else, Hilde, Ernst (um 1921)

Ernst besuchte inzwischen das Gymnasium in Betzdorf. Weil jedoch eine Wiederholung der Klasse 13 drohte, nahm Karl seinen Sohn von der Schule und verordnete ihm eine kaufmännische Lehre bei Verwandten in Erfurt.


Minna hinter der Theke im Laden

Nach überstandener Inflation 1923 gewann der reguläre Handel wieder an Schwung und Karl erfüllte sich den Traum vom ersten Auto. Er selbst hatte keinen Führerschein, Sohn Ernst betätigte sich als Chauffeur.


Das erste Auto, Marke BMW

Ernst hatte inzwischen seine Lebenspartnerin Luise, geb. Horn aus Wehbach geheiratet, als ausgebildete Verkäuferin fügte sie sich nahtlos ein. Auch Hilde hatte mit Paul Schuhen einen Bankkaufmann aus Betzdorf geheiratet, der dem Geschäft weiteren Aufschwung brachte.


Hochzeit Ernst und Luise, groß im Vordergrund Karl Kraemer


Eheleute Hilde und Paul Schuhen

Am Bahnhof in Schladern stand das Hotel Clever. Es hatte bereits mehrfach den Besitzer gewechselt, gehörte der Bielsteiner Brauerei und stand 1938 zum Verkauf.


Anzeige Hotel Klever

Für 24.000 Mark erwarb Karl das Haus und nach weiteren Investitionen in Höhe von 25.000 Mark verwandelte sich das Hotel in einen schmucken Lebensmittelladen. Die Räume in der Siegstrasse wurden vermietet, u.a. an die Gebrüder Baldus, die ein Frisörgeschäft führten. In den 1. Stock des neuen Geschäftshauses zogen die Familien Kraemer und Schuhen ein, unter dem gleichen Namen lief nun auch das Geschäft.


Kaufhaus Kraemer und Schuhen

Karl zog sich nun nach und nach aus dem Geschäftsbetrieb zurück, zumal tatkräftige und sachkundige Nachfolger gefunden waren.


Karl und Minna im Garten um 1947

Ernst und Paul engagierten sich im Schladerner Vereinsleben. Ernst, der als Kind Klavierspielen gelernt hatte, blieb dem Männergesangverein jahrzehntelang treu - ebenso seine Frau Luise als sangesfreudige Sopranistin.- und unterstützte sportliche Belange beim Tennisverein und in der Turnabteilung. Paul engagierte sich beim Fußball. Der Autor denkt gerne an seine Kindheit zurück, in der er „Onkel Paul“ bei den Fahrten zu Auswärtsspielen im Auto oder im Bus begleiten konnte.

Während Hilde und Paul bereits drei Kinder hatten (Margret *1936, Wolfgang *1939,
 Bärbel *1943), kam der ersehnte Stammhalter Kraemer erst 1946 auf die Welt, gefolgt von einem weiteren Jungen 1948.


Ulrich und Walter

Meine Kindheit verlebte ich sorgenfrei, behütet und doch sehr freizügig. Unsere Spielplätze waren der Bahnhofsvorplatz, wo wir zwischen den wenigen parkenden Autos Murmelkuhlen buddelten, über Fornebergs Zaun Federball spielten, auf den wenigen glatten Bürgersteigen mit eisernen Rollen der Rollschuhe den Straßenlärm übertönten, im Sand vor Neubaustellen Burgen bauten oder auf den Nebenstraßen Fußball spielten.


Sandburgen bauen, v .li. Ulrich, Udo Kaiser, Günter Lenz.


Die Vettern Ulrich, Walter und Klaus Müller (Ende 1953)

Nachdem ich in die einklassige evangelische Volksschule bei Lehrer Hoppe eingeschult worden war, durfte ich am nachmittäglichen Turnunterricht im Saal des Bergischen Hofes teilnehmen. Unter der Leitung von Willi Pracht und Herrn Loske begann das Training mit dem Lied „Turner, auf zum Streite“. Wer wusste schon davon, dass dieses Lied, im Kaiserreich um 1847 entstanden, der vaterländischen Erziehung zum Krieg diente. Fußball und Turnen blieben die liebsten Freizeitbeschäftigungen.


Nikolausturnen 1956 im Bergischen Hof
v. re.: Robert Roith, Günter Lenz,Horst Kriebisch, Hellekes, Karl-Heinz Schönenberg, Ulrich


Die Turnabteilung 1963

1.    R. v. u. li.: NN, Günter Schenk, Gerd Hundenborn, Werner Bach, Elmar Walter, NN, NN, Harald Römer, dahinter Stefan Becker, Klaus Müller, dahinter Bernhard Josko, Thomas Josko (geduckt), NN, NN, NN, Uwe Kerper, Wolfgang Pracht, NN, NN, Bernd Hundenborn, dahinter Jochen Schenk, NN
2.    R. v. li: NN, Gilda Sylvester, NN, Christiane Jasser, Elfriede Müller (verh. Gauchel), Marianne Sylvester, Berit Schönberg, NN, NN, davor klein Erika Sylvester, Gilberte Walter, NN, NN, Karin Müller, NN, Annemie Bach (verh. Hasenbach), Doris Volkmar?, NN, NN, Regina Josko
3.    R. der gesamte Rest v. li: NN, Willy Pracht, Ulrich Kraemer, NN, NN, NN, NN, ?? Pickruhn, NN, NN, NN, Gerda Eschmann (verh. Gansäuer), Ernst Kraemer, NN, Hannah Schwamm, NN, Edith Josko, NN, NN, NN, NN, NN, Joachim Döring, Robert Roith ?


A-Jugend des TUS 1963
v.li.: Werner Lipp, Karl Hasenbach, Erwin Knauer, Heinz Theiß, Ulrich, Rüdiger Villwock, Edmund Schneider, Jöchen Döring, Wolfgang Schneider, Wilhelm Stöbner, NN, Michael Becker, Fritz Sprenga

Für alle jungen Nutzer digitaler Medien: Meine erste Begegnung mit dem analogen Radio fand im Wohnzimmer meines Großvaters Karl statt. Er hatte sich zu Beginn der 1950-er Jahre einen Grundig-Rundfunkempfänger mit UKW gekauft, so ging ich sonntags um 14 Uhr dorthin, um den Kinderfunk des NWDR (damals noch Nordwestdeutscher Rundfunk) zu verfolgen. „Kalle Blomquist, der Meisterdetektiv“ war einer der spannenden Serien, angelehnt an Kästners „Emil und die Detektive“.


Karneval „Das dritte Programm“ mit Günter Lenz,Gaby Becker, Annedore Ewert und mir.

In den 60er Jahren war der Schladerner Karneval bekannt und überaus beliebt für seine Eigengewächse, die die Sitzungen füllten. Dazu gehörte auch das „Dritte Programm“, in dem Peter und Annedore Ewert, Gaby Becker, Günther Lenz und ich , später auch Gaby Bredenbrock und Irmi Bach viele Ereignisse und kleine Begebenheiten aus Schladern in Form einer TV-Sendung durch den Kakao zogen.

Nach einer Berufsausbildung zum Gemeindehelfer in Düsseldorf, Tätigkeit in Lindlar und Duisburg und Heirat kam ich 1971 nach Schladern zurück, um in Siegen Pädagogik zu studieren und Lehrer zu werden. Aus meiner Ehe gingen drei Töchter hervor, ein Kind starb zehn Tage nach der Geburt.
Im Jahre 1997 übernahm ich das Anwesen Siegstraße, heute Elmoresstraße. Das Geschäftshaus am Bahnhof war bereits Ende der 1970er Jahre verkauft worden und wechselte mehrfach den Besitzer. Auf dem ehemaligen großen Gartengelände steht heute die Apotheke.

So wurde das Stammhaus der Kraemers wieder zum Wohnsitz des ältesten noch lebenden Nachfahren.

14 Elmoresstraße
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570