Aus des Gärtnermeisters Schulzeit

Text | Dorfgeschichten, Betriebe | Sonntag, 01 Januar 1928

Von Michael Becker

Mein Vater Albert Becker Junior war bei Lehrer Jakob Schier in der Volksschule. Der „Köbes“ war ein sehr strenger Schulmeister, mein Vater hat dies öfter schmerzhaft erleben dürfen. Der hatte an meinem Vater „einen Narren gefressen“, was zu einigen Striemen im Gesäßbereich geführt hatte. Wenn später nur der Name Lehrer Schier fiel, schwoll meinem Vater der Kamm.

 

Die Gärtnerei Becker im Jahr 1928. Foto: Archiv Familie Becker

Vor dem Wintereinbruch hatte der Schulmeister die Angewohnheit, die Dahlienknollen auszumachen und in die Gärtnerei zum Überwintern bringen zu lassen. So hat er auch einmal den Schüler Karl Heinz Walgenbach – bekannt als Schalke 04 Anhänger und Interpret der Schlager „Auf der Reeperbahn nachts um halb drei“, „Cafe Oriental“ und „Pigalle“ – beauftragt, die in einem Karton verpackten Knollen dem Gärtnermeister Albert Becker Senior zum Überwintern zu bringen. Kalli ging zum Arbeitsraum in der Gärtnerei, traf dort aber nicht Becker Senior an, sondern meinen Vater Albert Becker Junior. Kalli teilte den Inhalt seines Auftrages mit. Mein Vater musste, eingedenk der früheren liebevollen Behandlung seines Gesäßbereiches, erst einmal schlucken und sagte dann wortwörtlich: „Sag dem A….loch, er soll sie selber überwintern.“ Kalli ging also zurück und betrat den Schulraum. Auf die Frage des Schulmeisters, was das denn solle, zitierte er als Wahrheitsfanatiker die Aussage meines Vaters. Die Schüler erhielten sofort Hitze- bzw. Schneefrei, der Köbes rannte zur Gärtnerei, bzw. in das Wohnhaus, dort traf er meinen Opa Albert Becker Senior und beschwerte sich. Mein Opa war total geschockt, immerhin gehörten nach seiner Auffassung, neben der Ortsprominenz, der Pastor und die Lehrer zur gehobenen Klasse. Die Aussage meines Vaters grenzte nach seiner Meinung in etwa an Majestätsbeleidigung. Es kam zu einem hitzigen Disput der beiden Gärtnermeister, die Spannung erledigte sich dann durch Zeitablauf.

Fazit: Immer die Wahrheit sagen, das hat noch nie geschadet, oder vielleicht doch und dann auch nur ein bisschen.

 

  

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