Weihnachten bei Henni

Text | Personen, Originale, Mundart | Mittwoch, 07 Dezember 2022

Vörr Chreßdaach bei Henni

Henni, Johannes Salz aus Altwindeck, ist ein Multitalent, das weiß jeder, der ihn kennt. Für die Dorfzeitung Däller Rundschau hat er wunderschöne Geschichten vom Osterhasen und von Weihnachten geschrieben. Als ich ihn fragte, ob ich seine Weihnachtsgeschichte aus dem Jahr 2013 auf der WiWa-Facebookseite als Weihnachtsbeitrag veröffentlichen darf, meinte er, ich solle ihn nicht zu sehr in Szene setzen.

Daran halte ich mich direkt mal überhaupt nicht (keine Sorge, Henni hat gegengelesen) und setze ihn mit dem Foto in Szene, dass ich im Sommer von ihm mit Schürze gemacht habe. Die haben seine Enkel ihm geschenkt, und die hat die zutreffende Aufschrift: Opa, ich habe nachgemessen. Du bist großartig! Henni.

Wenn bei irgendjemand die Schürze kein Fake fürs Foto ist, dann bei Henni. Henni ist zum Beispiel ein Selbstversorger wie er im Buche steht, er baut in seinem fantastischen Garten an, was er und seine große Familie braucht. Doch vor allen Dingern versteht er sich auf alle Arten der Konservierung (auch die eigene, er sieht doch super aus!).

Vor ein paar Wochen hatten ein paar „befreundete Frauen“ - wie er sich gerne schonmal nebulös ausdrückt - ihn aus purer Freude bekocht, weil Henni, so wie alle Männer, die im Dall groß geworden sind, vom Genießen viel verstehen. Dabei kam das Gespräch auch auf seine Sauren Bohnen; selbst einlegt, was sonst! Die wollten wir allzu gern probieren. Für Henni kein Ding, er lud sich eine schöne vorweihnachtliche Runde zum Essen ein. Als Multitalent hat Henni natürlich selbst gekocht.

1. Gang: Saure Bohnensuppe mit Milch
2. Gang: Salat von sauren Bohnen mit Kartoffeln aus dem Garten (Rote Linda; ein Traum)
3. Apfelkompott mit sehr, sehr, sehr viel Sahne

Wir alle waren total begeistert von dem leckeren Essen, dass Henni genauso zubereitet hat, wie es bei ihm in der Kindheit zuhause schon gekocht wurde. Man hat aber auch die guten Produkte aus seinem Garten herausgeschmeckt. Vor, während und nach dem Essen machte Henni mit seinem Aufgesetztem die Runde, erst Schlehe, dann schwarze Johannisbeere.

Hatte ich schon erwähnt, dass Henni 85 Jahre alt ist?

Und bei Frauen hat er auch einen Schlag. Das ist nämlich die Runde, die er sich vörr Chreßdaach in seine wunderschöne, gute Stube eingeladen hat. Die Hälfte von ihnen sind Mitstreiterinnen aus der Däller Rundschau-Zeit.

Gut, Egon (Isnardy) war auch noch da, aber den blenden wir hier mal aus. Entschuldige Egon (er war auch Redaktionsmitglied)! Egon sollte uns fotografieren, das war der Brüller des Abends. Seine Ulla macht nämlich alles für ihn, dementsprechend „professionell“ stellte er sich bei diesem diffizilen Unterfangen an. Das folgende Foto ist das einzige, das man auch als solches bezeichnen kann. Auf den anderen Fotos fehlen die Köpfe, dafür hat er seine Finger schön groß abgelichtet. Ach ja, unbemerkt hat er mehrere Videos gedreht. Uns sind die Tränen geflossen vor Lachen. Danke Egon, es war die beste Fotosession ever! Wir kommen jederzeit wieder gerne auf dich zurück.

Unten v. li.: Gisela Lechinger laufen die Tränen, Henni, Marita Schmitt
Oben v. li.: Sylvia Schmidt, Jacqueline Jahn, Ulla Isnardy und Ruzica Hundhausen

So, und nun wünscht WiWa Euch allen eine Frohe Weihnacht mit Menschen, die Euch etwas bedeuten und ein frohes, neues Jahr. Und hier kommt Hennis Weihnachtsgeschichte auf Platt und in einmal auf Hochdeutsch. (Text und Fotos Sylvia Schmidt)

Vörr Chreßdaach

Von Johannes Salz

Ech dächt, et oß su schü-en, ches de noch es spazieren. De Jacke ahn on ab. Wohin? Am besten de Altwecke errop, do kom fröher emmer et Chreßkengchen erraff.

Ech wor richtich chot jelaunt. Wie ech do am ahlen Wasserpasseng wor, fong et och noch chet an zo schneien. Su chet Jefissel. Et jefehl me' alt emmer mie. Ech dächt, villicht süß de jo och noch den Nikolaus oder womäuelich noch et Chreßkengchen selver! E-paar Hirsche wören jo och ald chet. Ech cheng ald emmer schneller. On do chet et verdeckst stiehl errop. Ja on dann soch ech et! Do, wo et nomm Ru-esenpölchen erren chet, bin demm chrueßen Sechemmessenhof (Ameisenhaufen), soß om Over menge Vatter! Jo, tatsächlich hä wor dat. Ü-er mut wossen, dä oß alt baal 30 Johr du-et. Stellt öch dat es fü-er. Hä hat Ärbeitsklamotten ahn. Ärbetsschoh, Gamaschen, Manschesterbozze, en Streckweste on en blauen Kaputt. Om Kopp hat hä en grönen Hot on wor de Piefe am rochen. Hä soch chot us.

Ech so-et, wie ech mech chet berappelt hat: „Wat dees du dann he?"
„Ech woll no di-er.“
Ech wor platt, on so-et: „Ja, woßt du dann, dat ech he her kom?"
Ja, jo dat. Avver komm, setz dech doch och he hi-en.
„En die Sechemmeßen?"
Ömm dös Zeck senn die doch net mie dobussen. On du wolls en Chreßbom klauen?"
„Nä, öm Choddes Wellen, dat det me' höck zo Daach doch net mie!"
„Aha! Wes de dann noch fröher? "
Ja-jo dat."
Ech möchte jo noch es."
Ech mot en richtich bremsen.
„Los me' dat leever senn loßen, wann us ehner sütt."
„Ja, ja.“
On dann konnt ech mech avver net mie zoröckhalen. „Wie chet et dir dann?"
„Choot.“
„Ja, dat sehn ech. Ech meenen avver, wie oß et dann su - do ovven?"
„Choot.“
„Ja, verzäll es chet."
Dat verstehst de doch net.
„Wörömm dat dann net?"
Et oß chranz andersch. Avver wie chet et dir, öch dann?"
„Choot. Wes de dat dann net?"
„Nä. Wie chet et dem Irmchart on denn Köngdern on wat maachen de Die-er?“
„Wat för Die-er?"
„Ja, de Köh on de Hohnder?"
„Han ech ken mie!"
„Wie, han ech ken mie?"
Dat wor natürlich net su enfach. „De Zeggen han sech schwer jeändert. Ech han 1995 met de' Burschaft opjehurt."
Dat oß doch net meu-elisch! "
„Doch, ech wahnen och net mie om Hoff. Ech han dat Fachwerkhus, wat ech domols en Daaden avjerossen hat, nevver dem Höhnerstall opjebaut on mir wahnen do. Avver, ech well di-er es chet säjen. Los mer ongen en denn Dall chon, dann kann ech di-er alles zejen on dann konne me' övver alles schwätzen."
Ja, chot, avver me konnen jo och flejen.“
„Wie flejen? Ech sen wahl em Drom ald jefloren, avver richtich noch net."
Mengen Vatter ment: „Komm stand op on ve 'loß dech op mech. Dreimal feste höppen, kräftich mot den Armen schloon, dann sollst de es sehn, wie dat chet.“
Tatsächlich su wor et. I-ech töcher den Böhmen dur, dann drövver, flochen mir zwei nevverenehn övver de Altwecke, den Metteldall on et Museum, et wor ähnstrengend avver schü-en. Om Maplatz ment menge Vatter: „Ech flejen es jerad en de Betze nom Rudolef, ech ku-en dann noh.“
„Oß chot, et Irmchard kann ald chet Kaffee opschödden."

Fott wor hä. On dann cheng et loß. Ech konnt mech net mie ovven halen. Et cheng emmer schneller erraff, on pafdisch soß ech vör de Kapell op de‘ Stroße. Ja on dann ref et Irmgard: „Johannes aufstehn, es ist Zeit.“ No-em Mettach sen ech dann spazieren jechangen. Dreimol dörft ü-er roden wohin.

Vor Weihnachten

Von Johannes Salz

Ich dachte mir, es ist so schön, ich gehe nochmal spazieren. Die Jacke an und ab. Wohin? Am besten die Altwicke hoch, da kam früher immer das Christkindchen herunter.

Ich war richtig gut gelaunt. Wie ich da am alten Wasserbassin war, fing es auch noch etwas an zu schneien. So ein bisschen Gefissel. Es gefiel mir immer mehr. Ich dachte, vielleicht siehst du ja auch noch den Nikolaus oder wohlmöglich noch das Christkind persönlich! Ein paar Hirsche wären aber auch schon etwas. Ich ging immer schneller. Und dann geht es verdammt steil hoch. Ja und dann sah ich es! Da, wo es zum Rosenpfuhl rein geht, bei dem großen Ameisenhaufen, saß am Hang mein Vater! Ja, tatsächlich, er war es. Ihr müsst wissen, er ist bald 30 Jahre tot. Stellt euch das mal vor. Er hat Arbeitsklamotten an, Arbeitsschuhe, Gamaschen, Manchesterhose, eine Strickweste und ein blaues Jackett. Auf dem Kopf hat er einen grünen Hut und raucht Pfeife. Er sah gut aus.
Ich sagte, wie ich mich vom Schreck etwas erholt hatte: „Was machst du denn hier?“
„Ich wollte zu dir.“
Ich war platt und sagte: „Ja, wusstest du denn, dass ich hierherkomme?“
„Ja, sicher. Aber komm, setz dich doch auch hierhin.“
„In die Ameisen?“
„Um diese Zeit sind die doch nicht mehr draußen. Und du wolltest einen Christbaum klauen?“
Nein, um Gottes Willen, das macht man heutzutage doch nicht mehr!“
„Aha, weißt du denn noch früher?“
„Ja sicher weiß ich das noch.“
„Ich würde schon nochmal gerne.“
Ich musste ihn richtig bremsen
„Lass uns das lieber sein lassen, wenn uns einer sieht.“
„Ja, ja.“
Und dann konnte ich mich aber nicht mehr zurückhalten. „Wie geht es dir denn?“
„Gut.“
„Ja, das sehe ich. Ich meine aber, wie ist es denn so da oben?“
„Gut.“
„Ja, erzähl doch mal was.“
„Das verstehst du doch nicht.“
„Warum das denn nicht?“
„Es ist ganz anders. Aber wir geht es dir, euch denn?“
„Gut, weißt du das denn nicht?“
Nein, wie geht es Irmgard und den Kindern, und was machen die Tiere?“
„Welche Tiere?“
„Ja, die Kühe und die Hühner?“
„Habe ich keine mehr.“
„Wie, habe ich keine mehr?“
Das war natürlich nicht so einfach. „Die Zeiten haben sich sehr geändert. Ich habe 1995 mit der Landwirtschaft aufgehört.“
„Das ist doch nicht möglich!“
„Doch, ich wohne nicht mehr auf dem Hof. Ich habe das Fachwerkhaus, das ich damals in Daaden abgerissen habe, neben dem Hühnerstall aufgebaut und wir wohnen da. Aber, ich will dir mal was sagen. Lass uns hinunter in den Dall gehen, dann kann ich dir alles zeigen, und dann können wir über alles reden.“
„Ja gut, aber wir können auch fliegen.“
„Wie fliegen? Ich bin wohl im Traum schonmal geflogen, aber richtig noch nie.“
Mein Vater meint: „Komm, steh auf und verlass dich auf mich. Dreimal feste hüpfen, kräftig mit den Armen schlagen, dann sollst du mal sehen, wie das geht.“
Tatsächlich, so war es. Ich, zwischen den Bäumen durch, dann drüber, flogen wir beide nebeneinander über die Altwicke, den Mitteldall und das Museum, es war anstrengend aber schön.
Auf dem Marktplatz meint mein Vater: „Ich fliege noch eben in die Bitze zum Rudolf (Johannes Bruder Rudi Salz), ich komme dann nach.“
„Ist gut, Irmgard kann schonmal Kaffee aufschütten.“

Fort war er. Und dann ging es los. Ich konnte mich nicht mehr halten. Es ging immer schneller hinunter und pardauz, saß ich vor der Kapelle auf der Straße.

Ja, und dann rief Irmgard: „Johannes aufstehen, es ist Zeit!“

Am Nachmittag bin ich spazieren gegangen. Dreimal dürft ihr raten wohin.

Im Dall 20
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570

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