Das Uhrwerk aus dem Dattenfelder Siegtaldom

Text | Personen, Kirchen | Montag, 31 Mai 1886

Das Uhrwerk aus dem Dattenfelder Siegtaldom

Über ein Ausstellungsstück(e) oder eine kleine Geschichte aus dem Heimat-Museum in Altwindeck

Euer Hochwürden, können sich im Voraus versichert halten, dass ich Ihnen ein Werk liefern werde, welches allen Erwartungen auf das Vollständigste entsprechen und Ihrer Empfehlung nur Ehre machen wird. Diese freundlichen Worte, als der Kunde sich wirklich noch wie der König fühlen konnte, schrieb am 31. Mai 1886 A. F. Beyes, Inhaber der Hildesheimer Thurm-, Hof- und Eisenbahnuhren-Fabrik an Hochwürden Pfarrverwalter Westerhove in Dattenfeld. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits auf 10 Ausstellungen für seine Uhren prämiert worden.

Im Pfarrarchiv in Dattenfeld lagern die Unterlagen des Schriftwechsels, der beiden Kosten(vor)anschläge und des Kaufvertrages der Kirchturmuhr und des dazu gehörigen Uhrwerks. Für eine Summe von 830 Mark kam man ins Geschäft. In einem Schreiben versprach der gehorsamste Uhrmacher eine Lieferung innerhalb von acht Wochen nach Eingang des Auftrags und Zusendung an die nächste Eisenbahnstation. Geordert, hatte man eine acht Tage gehende Uhr mit Halb- und Vollschlag; allein das Pendel wog 30 Kilogramm. Obendrein gewährleistete der Verkäufer eine Diensttüchtigkeit für den geregelten Gang und Schlag von 20 Jahren.

Anscheinend lieferte die Firma pünktlich und hielt auch sonst die Vertragsbedingungen ein, denn der Schriftverkehr erhält keine Hinweise auf eine Unzufriedenheit des Käufers. Die Uhr fand ihren Standort am rechten Turm der Kirche, und das Uhrwerk, groß wie ein Kleiderschrank, wurde zwei Etagen tiefer, in einem Raum neben der Orgel platziert.

Eine Zeitzeugin, Hildegard Althoff aus Altwindeck, übernahm in ihrer Kindheit, vor dem Krieg, die ehrenvolle Aufgabe alle acht Tage das Uhrwerk aufzuziehen, nicht nur, um die Uhr am Laufen zu halten, sondern auch, damit regelmäßig jede halbe Stunde der Hammerschlag gegen die Glocken erklingen konnte. Die Gewichte des Uhrwerks, schwerer als ein Kartoffelsack, über zwei Etagen hoch zu ziehen, war für die kleine Hildegard keine Kleinigkeit. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Sie eines Tages gleich doppelte Bekanntschaft mit dem Sprichwort „wo viel Ehr’ ist, ist auch viel Pein“ machte. In ihrem Eifer und mit den Gedanken wahrscheinlich in frommen Gefilden, tat sie des Guten zuviel. Sie zog, und zog, bis das Gewicht überzogen war und mit Riesengetöse in die Tiefe sauste und im Raum neben der Orgel einen mittelschweren Bombeneinschlag verursachte. Ihrem Vater stand der Schreck ins Gesicht geschrieben, als er sich ausmalte, was hätte geschehen können, wenn dort jemand gestanden hätte.

Über mehr als 50 Jahre tickte das treue Uhrwerk immer im selben Takt und jede halbe Stunde verkündete der Glockenschlag die Uhrzeit weit ins Dattenfelder Tal hinein. Die Hitlerregierung hatte eines Tages einen „besseren“ Verwendungszweck für die Kirchenglocken gefunden. Am 12. Februar 1942 wurden die Glocken aus dem Turm eingezogen und nach Hamburg verfrachtet; sie sollten für die Waffenproduktion eingeschmolzen werden. Pastor Rudi Kölschbach, in Dattenfeld geboren, forschte nach ihnen und fand sie auf einem Glockenfriedhof wieder. Im Jahr 1946 oder 1947 kamen sie nach Hause - 60 Millionen Menschen hatten nicht so viel Glück.

(sc)

 

Im Thal Windeck 17
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570

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