Familie und Tiefbaufirma Friedrich Wilhelm Pickhardt

Text | Personen, Betriebe | Sonntag, 01 Januar 1928

Interview Frieder Döring mit seinem Bruder Ernst Joachim Döring 2017

Familie um 1928, obere Reihe von links: Fritz Döring, Anni Döring, Helmi Pickhardt, Hans Müller; mittlere Reihe von links: Oma Margarete Döring, Oma Wilhelmine Pickhardt, Käthe Förster, Helmut Förster, Änne Döring

untere Reihe von links: Franz Döring, Dore Peters, Annemarie Müller, Leni Pickhardt, Opa Friedrich Wilhelm Pickhardt

 

Unser Großvater mütterlicherseits, Friedrich Wilhelm Pickhardt (1873 – 1952), wurde in Waldbröl geboren als Sohn des Bäckermeisters Wilhelm Pickhardt (1841 – 1902), dessen Vorfahren aus Gummersbach stammten, wo es heute noch Pickhardts gibt, und seiner Frau Wilhelmine Fuchs (1849 – 1913). Er hatte fünf Geschwister, die Brüder Ernst und Eugen und die Schwestern Martha, Maria, verh. Böker, Waldbröl, und Ida, verh. Birkenbeul, lebte mit Familie in Schladern.

Willi, wie er genannt wurde, half schon früh in der väterlichen Bäckerei aus, machte dann eine Pflastererlehre in einer Waldbröler Pflasterei, in der er auch ein paar Jahre als Geselle arbeitete und so viel verdiente, dass er 1898 seine Braut Wilhelmine Peters (1878 – 1944) aus Schladern heiratete, mit ihr 1899 in ihr Elternhaus an der damaligen Schulstraße (heute Falkenweg) nach Schladern zog und mit ihr vier Töchter bekam: Katharina, verh. Foerster (1900 – 1978), Magdalene, verh. Koslowsky (1902 – 1989), Anna (1904 – 1989), verh. mit Friedrich Döring (1895 – 1982), und Wilhelmine (1906 – 1984).

Käthe, Helmi, Leni, Anni Pickhardt

Seine Frau Wilhelmine stammte aus der Verbindung von Wilhelm Karl Peters (1843 – 1915), Schuster aus Gierzhagen, mit Katharina Schneider (1841 – 1895), deren Vater Heinrich Schneider für diese Tochter das Haus gebaut hatte in der Schulstraße (heute Falkenweg) neben weiteren Häusern für seine Kinder und der Gastwirtschaft „Deutsches Haus“ gegenüber vom Bahnhof. Ihr Großvater Johann Bertram Schneider (1779 – 1837) aus Rommen, gehörte zu den drei Gründerfamilien des Ortes Schladern um 1820. Katharina hatte zehn Geschwister, von denen noch Nachkommen in Schladern leben.

Von 1903-1905 konnte sich Willi Pickhardt durch Ersparnisse und Familienunterstützung leisten, die Wegebauschule in Siegen zu besuchen, um dort den Abschluss als Tiefbaumeister zu machen. Danach erhielt er gleich eine Anstellung als Straßenbaumeister in Witten an der Ruhr und zog mit der Familie dorthin. Ab 1910 machte er sich selbstständig mit einer Tiefbaufirma in Essen-Kray, die er durch den Ersten Weltkrieg hindurch bis 1919 in Betrieb hatte. Bis 1915 hatte ihm dabei sein Schwager Karl Peters, der mit Frau Auguste Peters (1880 – 1969) und den Kindern in Duisburg wohnte, als Polier geholfen. Der wurde dann eingezogen und fiel bereits 1916 an der Front. Daraufhin zog Auguste Peters mit ihren drei Kindern Carl Christian (der spätere Maler), Dorothea, verh. Brökelschen, und Fritz in das Haus in Schladern an der Schulstraße, da ihr dort lebender Schwiegervater bereits 1915 gestorben war.

1919 verkaufte Wilhelm Pickhardt sein Baugeschäft in Essen-Kray und bezog auch das Haus in Schladern wieder, nachdem er die anderen Erben, die fünf Geschwister seiner Frau (Maria, Karl, Anna, Heinrich, Katharina), bzw. deren Hinterbliebene ausbezahlt hatte. Auguste Peters zog danach in das Nachbarhaus, das heutige Haus Baldus zusammen mit ihrer Schwester Emma, verh. Hagedorn, und deren Familie. Das Pickhardts-Haus, wie das ursprüngliche Peters-Haus ab jetzt hieß, wurde erweitert und Wilhelm Pickhardt richtete darin das Büro seiner Schladerner Tiefbaufirma ein, mit der er vor allem Gleisbauaufträge der Eisenbahn abwickelte, aber auch die Trinkwasserversorgung und Kanalisation von Schladern. Die alten Quellbefestigungen und Wasserspeicher „In den Hähnen“, im „Schwarzen Siefen“ und am Sportplatz stammen daher, ebenso wie noch einige mit seinem Firmennamen versehene Kanaldeckel in Schladern. Außerdem wurde er Teilhaber der „Gewerkschaft Held 3“, einer Firmengruppe unter Führung der ihm entfernt verwandten Familie Hamann aus Gierzhagen, die die Steinbrüche und eine Bleierzgrube im Westerttal betrieb. Dazu wurde eigens eine Schmalspurbahn vom großen Westertsteinbruch zum Güterbahnhof Schladern gebaut, um Schotter und Pflastersteine zur Verladung zu transportieren. Diese Firma, die auch die große Dampfmaschine der ehemaligen Ziegelei Schroeder-Jaeger aus Schladern übernommen hatte, musste Ende der 1920er Jahre im Zuge der Wirtschaftskrise in Insolvenz gehen. Die Tiefbaufirma Pickhardt arbeitete aber erfolgreich weiter. 1936 wurde Wilhelm Pickhardt, der von dem Waldbröler protestantischen Pietismus geprägt war, wegen staatskritischer Äußerungen von der Gestapo verhaftet und für sechs Wochen in Haft gehalten. Er, der eigentlich, wie ebenfalls für die oberbergischen Pietisten typisch, ein glühender Deutschnationaler und Kaisertreuer war und somit auch zunächst Anhänger des Nationalsozialismus, hatte aus neuen Goebbels-Verlautbarungen eine zunehmend antichristliche und unbiblische Tendenz herausgehört und lautstark öffentlich dagegen protestiert. Das war natürlich angezeigt worden. Da er viele Fürsprecher hatte und seine laufenden Bahnprojekte für militärisch wichtig galten, wurde er mit Auflagen wieder frei gelassen. Von da an gingen seine Aufträge und Geschäfte allerdings prompt zurück, hielten aber auch durch den Zweiten Weltkrieg hindurch an, da Bahn- und Straßenbau als kriegswichtig eingestuft waren. 1946 kam dann sein Schwiegersohn Friedrich Döring aus Waldenburg, Schlesien, zurück, wo er unter polnischer Verwaltung die ehemals zu Humboldt-Deutz gehörigen Carls-Werke kommissarisch geleitet hatte und versuchte, in der Firma Pickhardt Fuß zu fassen. Seine Frau Anna und die vier Kinder, Anna Magdalena (*1936), Ingeborg (*1939), Hans Friedrich (*1942) und Ernst Joachim (*1945) waren schon Ende 1944 (die drei Älteren), bzw. März 1945 (die Mutter mit dem gerade geborenen Jüngsten) nach Schladern zu den Großeltern geflohen.

Inge, Frieder, Anne und Jochen Döring. Alle Fotos: Familie Döring

Nach kurzer Zeit der Zusammenarbeit mit dem Schwiegervater musste Fritz Döring feststellen, dass das Geschäft zwei Familien kaum ernähren konnte, und er nahm 1948 eine Ingenieurstätigkeit im Stahlwerk Rheinhausen auf. Die Familie blieb allerdings in Schladern wohnen, und der Vater kam bis zu seiner Pensionierung immer zum Wochenende mit der Bahn nach Hause.

Ab 1950 wurde deutlich, dass Wilhelm Pickhardt den Betrieb krankheitshalber nicht mehr alleine führen konnte und er nahm mit Werner Lenz aus Wissen einen Teilhaber auf, der mit seiner Familie auch zunächst in die Parterre-Wohnung im Haus in der Schulstraße einzog. 1952 starb Wilhelm Pickhardt, der maßgeblich noch am Bau der Evangelischen Kirche in Schladern mitgewirkt hatte, die 1951 eingeweiht wurde. Vorher fanden öfters auch Gottesdienste in seinem Wohnzimmer statt.

Die Firma Pickhardt und Co. wurde danach ganz von Werner Lenz übernommen, der Ende der 1950er Jahre auch einen eigenen modernen Wohnbungalow an der Straße „Zum Sprietchen“ baute und auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei Schroeder, das er vom Betreiber der Kupferschmiede Fuhrmann gekauft hatte, seine Tiefbaufirma unterbrachte. Dieses Gelände kaufte ihm 1975, nachdem er die Firma Pickhardt aufgegeben hatte, Helmut Schroeder wieder ab, der darauf seine neue Renault-Werkstatt errichtete.

Falkenweg 3
Windeck, Nordrhein-Westfalen.
Deutschland ,51570

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